Letzte Überarbeitung am 27. März 2022
[Rezensionsexemplar]Autorin: Anke Domscheit-Berg
Untertitel: Warum wir von Geschlechtergerechtigkeit noch weit entfernt sind. Ein Weckruf
erschienen: März 2015
216 Seiten
Preis: 8,99€*
Buchrücken
Frauen werden seltener Chefs, verdienen weniger und tragen die Hauptlast unbezahlter Arbeit in Haushalt und Familie: das Resultat einer Gesellschaft, die Männer und Frauen in stereotype Schubladen steckt. Ob Spielzeug, Werbung oder Medien – überall werden Frauen sexualisiert, als schwach und weniger kompetent dargestellt.
Anke Domscheit-Berg zählt schockierende Fakten zu einem anhaltenden Missstand auf und zeigt, was Unternehmen, Politik und jede(r) Einzelne zu echter Gleichberechtigung beitragen können. Pointiert, kämpferisch, konstruktiv!
Meine Meinung
Meine zweite Lektüre für die Frauen Lese-Challenge 2017 hat mich nicht so vom Hocker gehauen wie „Untenrum frei„, aber das heißt keineswegs, dass dieses Buch schlecht ist. Nein, sicherlich nicht. Es ist nur anders. Es ist ein echtes Sachbuch. Es behandelt Fakten und belegt diese mit Zahlen und Beobachtungen.
Nicht schlecht geschrieben, aber halt doch etwas trocken.
Gegliedert ist es in drei Hauptkapitel, die von vielen, vielen kleinen Kapiteln unterteilt werden.
- Geschlechtergerechtigkeit ist bisher nur eine Vision
- Und wer ist schuld?
- Butter bei die Fische: Wie geht Geschlechtergerechtigkeit?
Jedes Unterkapitel ist auch im Inhaltsverzeichnis zu finden, was den Vorteil hat, dass man jederzeit nachschlagen und -lesen kann, wenn man sich noch einmal kurz und knapp zu einem bestimmten Thema informieren will.
Seit Jahrtausenden gelten Frauen als Besitz, den man erobern, benutzen oder vernichten kann wie die Häuser, das Vieh oder sonstiges Eigentum des (männlichen) Feindes. Und nein, das ist heute nicht anders als früher, wie die oben genannten Beispiele zeigen. Lebensrisiko Frau – eine klarere Feststellung fehlender Geschlechtergerechtigkeit kann es wohl kaum geben.
Seite 75
Jede Behauptung und Beobachtung wird mit Daten belegt und am Ende findet sich ein ausführliches Quellenverzeichnis. Auch auf der Homepage von Anke Domscheit-Berg findet man Hintergrundinformationen zur Geschlechtergerechtigkeit. Ein riesen Quell an potentiellem Wissen, das man sich da anlesen kann.
Im Buch selbst stand für mich persönlich allerdings nicht viel neues. Schon vorhandenes Wissen wurde für mich aber gut zusammengefasst und auf wenige Seiten reduziert. Das ist auch eine Kunst, eine nicht zu unterschätzende. Man kann also keine Revolution erwarten oder völlig neue Erkenntnisse, aber man kann erwarten, dass man einen Überblick über die grundlegende Problematik, ihre Auswirkungen und mögliche Lösungen erhält. Und das bekommt man auch.
So wird jeder Mensch von Tag eins an vom eigenen Umfeld geprägt. Selbst wenn Eltern das Kunststück vollbrächten, alle eigenen unbewussten Unterschiede auszuschalten und Töchter wie Söhne gleich zu behandeln, bleiben ihre Kinder einem permanenten Einfluss durch die restliche Umwelt ausgesetzt.
Seite 120
Ich würde das Buch all denjenigen empfehlen, die eine Überblick über Geschlechtergerechtigkeit in Deutschland bekommen wollen, weil sie noch nicht so richtig verstanden haben, wo eigentlich das Problem liegt. Und für alle, die regelmäßig mit Menschen diskutieren müssen, die felsenfest der Überzeugung sind, dass Frauen allein, und zwar ganz allein, an ihrer Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt schuld sind. Für solche Diskussionen liefert das Buch viele Daten und Fakten, die man dem anderen dann so richtig schön um die Ohren hauen kann.
Für diejenigen, denen klar ist, wo das Problem liegt und die sich allgemein schon mit dem Thema beschäftigt haben, bietet dieses Buch zwar (wahrscheinlich) keine neuen Erkenntnisse, aber für unter 10€ ist es eines dieser Bücher, die man lieber im Regal haben sollte als sie eines Tages zu vermissen. Und wenn es nur ist, damit Besucher beim Anblick des Bücherregals gleich wissen, dass sie in einem feministischem Haushalt gelandet sind. 😉
Wir denken viel zu oft, dass wir keine Macht haben, Dinge zu verändern, und sehen nicht, wie mächtig wir vor allem gemeinsam sind.
Seite 211
Ich hab ja nur eine Schwester und keinen Bruder. Aber ich denke unsere Eltern erzogen uns nicht so „stereotypen“-mäßig. Wir hatten Barbies und Trettraktoren und von Playmobil sowohl das Puppenhaus als auch das Piratenschiff und die Burg. Ich kann mich nicht erinnern, gesagt bekommen zu haben: „Das macht Frau nicht“ oder „Das macht man als Mädchen/Frau nicht“. Ich sagen gerne, dass wir nach geltenden Gesetzen erzogen worden sind („Du bist noch keine 18 Jahre, du bist um 24:00 Uhr daheim…“ (oder war es 22:00 Uhr?)) – ich denke, das war eine gute Einstellung meiner Eltern…
Deswegen fand ich auch dieses Zitat am Schluss gut gewählt von dir! Betrachtet man das Thema „Lohndiskriminierung“ gehen einfach zu viele Frauen noch nicht den offiziellen Weg und ziehen vors Arbeitsgericht – vielleicht bringt auch das hier: http://www.spiegel.de/karriere/bundesregierung-einigt-sich-auf-gesetz-zu-lohngleichheit-a-1115430.html endlich Bewegung in die Angelegenheit… wobei dieses Gesetz auch seine Schwierigkeiten hat (Datenschutz) – Ich bin gespannt.
Ja, das klingt tatsächlich danach, dass eure Eltern da eine gute Einstellung hatten. Zumindest aus meiner Sicht. Und trotzdem wurdest auch du irgendwie als Mädchen sozialisiert. Auch, wenn man nicht alle Klischees erfüllt und nicht sehr stark in eine Rolle gedrängt wurde oder denkt, dass man die Rolle nicht angenommen hat, gibt es doch irgendwann Momente, in denen man feststellt, wie groß der Einfluss von außen doch ist. Mir geht es auf jeden Fall so und auch andere haben solche Erkenntnisse schon berichtet.
Ja, ich bin sehr gespannt, welche Auswirkungen auf Dauer zu sehen sind. Theorie und Praxis sind ja leider oft zwei Dinge. Gerade in der Gesetzgebung.
LG Lexa
Während meines Betriebswirt ist es nun zu ein paar Situationen gekommen, in denen ich wohl nicht der Rolle eines Mädchen/Frau entsprach. Das „Gute“ ist, dass sowas wie die Spiegelneuronen bei mir nicht richtig funktionieren, deswegen antwortete ich auf „Das macht Frau nicht!“ mit einem „Warum nicht?“. Mit fehlt da gewissermassen das Zwischenmenschliche Verständnis XD XD XD
Perfekt 🙂 Diese Nachfrage verwirrt die meisten nämlich total und sie haben keine Antwort. Meist sehr lustig anzusehen und im Idealfall merken sie sogar, was sie da eigentlich gesagt haben.
Ich finde das Buch sollte einmal Pflichtlektüre für die ganzen Leute werden, die meinen es gäbe kein Problem, oder unser 1. Welt Feminismus wäre lapidar.
Erinnert mich an einige Kommentare und Texte die ich bereits gelesen habe, zb. über Lohngerechtigkeit. Da war ein Mann der Meinung, Frauen würden sich einfach nur nicht trauen nach Geld zu fragen und wären mit ihrer schlechten Bezahlung zufrieden.
Im Ernst? 😀 Dann führte der Herr ein Beispiel aus seiner Firma an, dass er nach einer Gehaltserhöhung gefragt hat und den Chef vor die Tatsache stellte, dass er sonst kündigen würde. Danach hat der Chef ihm die Gehaltserhöhung gegeben und seine weibliche Kollegin hat natürlich keine bekommen, weil sie sich das nicht getraut hat.
Also bei solchen Texten könnte ich echt Anfälle bekommen 😀 Vielleicht hat es ja einen Grund, dass seine Kollegin nicht mit Kündigung drohen kann, weil sie als Frau…vielleicht alleinerziehend, oder wer weiß in was für einer Situation, auf den Job angewiesen ist.
Tatsächlich habe ich bei meinem alten Job ein Ähnliches Experiment gewagt, nachdem ich bereits zur Absicherung einen neuen Job in Aussicht hatte. Der Chef hat mir KEINE Gehaltserhöhung gegeben und das obwohl ich bei der selben Arbeit, von allen am schlechtesten bezahlt war.
Ich habe dann wirklich gekündigt.
Und dann war der Chef mega entsetzt, denn er dachte ich würde nur bluffen.
Soviel zum Thema Frauen und Lohngerechtigkeit. 😀
Aber ich finde es echt eine Frechheit wenn sich Männer, die ganz andere Voraussetzungen haben und ganz anders wahrgenommen werden, sich hinstellen und zum Feminismus behaupten, es gäbe kein Problem, denn die Frauen sind Selbst Schuld. (Oder Ihnen passiert sowas ja auch nicht- ach nee.)
Allein das ist ein Zeichen, dass es bitter nötig ist, über Feminismus und Geschlechtergerechtigkeit aufzuklären.
Lg, Anja
Moin Anja,
oh man, das Gesicht von deinem Ex-Chef war bestimmt Gold wert. 😀
Aber obwohl die Vorstellung lustig ist, ist die Tatsache alleine doch echt traurig. Naja, mehr als immer wieder drüber reden und drauf aufmerksam machen geht ja leider nicht. Irgendwann wird es auch der letzte verstehen, dass wir noch lange nicht in einer gleichberechtigten Gesellschaft leben.
LG Lexa