Kennt ihr das, wenn man ganz erstaunt ist, was man in der eigenen Stadt so alles machen kann? Wenn man irgendwo Urlaub macht, dann guckt man sich die Sehenswürdigkeiten an, macht vielleicht eine Führung mit oder geht in ein Museum. Zu Hause tut man das eher nicht. Oder geht das nur mir so?
Deswegen war ich ganz erstaunt, als meine Mutter vorschlug eine der kostenlosen Führungen durch die historischen Säle der Stadtbibliothek Lübeck mitzumachen. Historische Säle in der Stadtbibliothek? Ich war doch zu Schulzeiten mehrmals dagewesen, solche waren mir nicht aufgefallen… tja, manchmal sieht man die Schätze vor lauter Büchern nicht.
Jeden ersten Mittwoch im Monat wird ab 17:30 eine kostenlose Führung durch den alten Teil der Bibliothek angeboten, in dem die Altbestände aufbewahrt werden.
Und alt ist sie wirklich. Erstgründung war 1616. In einem ehemaligen Schlafsaal der Franziskanermönche des Katharinenklosters (heute Scharbausaal) wurde ein großer Bibliotheksaal geschaffen, der schon damals von allen BürgerInnen genutzt werden konnte. 1759 wurde dann die Tagungsstätte des Konsistorialgerichts (heute Konsistorialsaal) verlegt um Platz für die Bibliothek Hinrich Scharbaus, Senior und Hauptpastor von St. Aegidien, zu schaffen. Dieser hinterließ der Bibliothek eine umfangreiche Sammlung von ca. 6000 Bänden. Daran an schließt ein Raum, der baulich bereits zur Katharinenkirche gehört und seit 1823 von der Stadtbibliothek genutzt wird, der Kirchenvorraum. 1877 entstand der Mantelsaal und 1926 kam der Willy-Pieth-Lesesaal hinzu. Der neueste Teil ist von 1979 und der Teil, denn wohl der Großteil der Nutzer kennt, denn hier finden sich die „normalen“ Bücher und der Alltagsbesucherverkehr.
Mit zu vielen geschichtlichen Details will ich euch aber gar nicht langweilen, denn die können bei Interesse auch auf der offiziellen Seite der Stadtbibliothek nachgelesen werden. Ich schreibe hier lieber über die beeindruckende Wirkung der einzelnen Säle.
Mantelssaal
Begonnen wurde die Führung im neugotischen Manteslsaal, der als Saalbibliothek geplant war und 1877 fertig gestellt wurde. Groß, hell und gut runtergekühlt, damit die Bücher erhalten bleiben. Wahrlich ein beeindruckender Einstieg in die Führung. Und hier zeigt sich auch, was ein guter Architekt alles kann. Bei der Renovierung 1992 wurde eine umlaufende Stahlgalerie eingebaut, die den Raum stabilisiert und einfach wunderbar ins Bild passt. Alt und neu vereint.
Willy-Pieth-Lesesaal
Weiter ging es mit einem starken Kontrastprogramm, dem Willy-Pieth-Lesesaal. Dieser ist im Vergleich nämlich eher klein und dunkel, aber nur, da es draußen schon dunkel war, als wir da waren. Tagsüber fällt durch die große Fensterfront (gegenüber der Wand, die man auf dem Foto sieht) sicherlich sehr viel Licht ein, so, dass der Lesesaal gleich ganz anders wirken dürfte.
Scharbausaal
Großzügig und sehr historisch geht es weiter im Scharbausaal. Dieser ehemalige Schlafsaal der Mönche hat eine beeindruckende Größe und verströmt eine ganz eigene und ehrwürdige Atmosphäre. Im Dielenfußboden aus dem 19. Jahrhundert sind Schaufenster eingelassen, durch die die mittelalterlichen Klosterfliesen zu sehen sind. Die Regale sind noch die Originale von 1618 und kunstvoll mit Fresken verziert. Ich hätte stundenlang einfach nur vor den Regalen stehen können und mir wäre nicht langweilig geworden, weil die Augen immer wieder ein neues Detail entdecken.
Konsistorialsaal
Dieser und der Scharbausaal waren bis 1573 ein Raum. Damals wurde eine Wand eingezogen um dem Konsistorialgericht [Rechtsprechungsorgan der Kirchenleitung mit meist gemischter geistlicher und weltlicher Besetzung] eine Tagungsstätte zu schaffen. 1759 wurde der Raum der Bibliothek angeschlossen, da die wachsende Sammlung immer mehr Platz brauchte. Dieser Saal ist wieder sehr hell und strahlt eine Gemütlichkeit aus, dass man es gar nicht glauben mag. Wie eine kleine Privatbibliothek kam es mir vor. Man erwartete regelrecht, dass bald der Eigentümer reinkommen würde und sich am Fenster in einen gemütlichen Sessel fallen lässt um in einem guten Buch zu schmökern. Da stand zwar kein Sessel, aber vielleicht wird so deutlich, wie ich mich in diesem Raum fühlte. Einfach wohl.
Kirchenvorraum
Einen Raum weiter befindet man sich schon in der Katharinenkirche. Wie das möglich ist? Kloster und Kirche waren/sind verbunden, damit die Mönche trockenen Fußes in die Kirche konnten und dieser seit 1823 von der Stadtbibliothek genutzte Raum ist der südliche Nebenchor der Kirche. Die Decken- und Wandmalereien aus dem 16. Jahrhundert zeugen noch von dieser Vergangenheit.
Damit war die Führung dann leider auch schon zu Ende und eine Stunde war rum. Glaubt mir, wir waren ganz erstaunt, dass wir tatsächlich schon so lange da waren. Solltet ihr euch auch nur ein bisschen für Bücher begeistern können, dann kann ich die Führung wirklich nur empfehlen. Ich zumindest habe vor sie im Sommer noch ein zweites Mal mitzumachen. Denn wenn Tageslicht durch die Fenster scheint, dann wirken die Räume sicherlich noch einmal ganz anders.

Interessierst du dich für Bibliotheken? Geht es dir auch manchmal so, dass du ganz erstaunt bist, was deine Stadt zu alles zu bieten hat?
Was für eine tolle Führung und super Bilder! Yay für Bibliotheken 🙂
Danke für deinen Kommentar, denn jetzt hatte ich einen Grund nochmal über die Bilder zu scrollen 😉