Ich erinnere mich …

Erinnerungen sind flüchtig, aber dabei felsenfest in uns verankert. Wodran erinnerst du dich, wenn du die Gedanken schweifen lässt?

Letzte Überarbeitung am 11. August 2023

Ich erinnere mich an das Gefühl von Stein, Rasen und Kieselsteinen unter den nackten Füßen und den Stolz, wenn ich es ohne Zucken über den ganzen Hof schaffte.

Ich erinnere mich an kopflose Hühner, kopfüber und wie ihre Beine zappelten.

Ich erinnere mich an einen unheimlichen Ziegenstall, auf dessen Dach man nur von Innen kam und ein Bootsgerippe, auf dem wir nicht klettern durften. Es aber natürlich trotzdem taten.

Ich erinnere mich an die Mausfamilie, von der wir nicht hätten erzählen dürfen. Es folgte der Tod durch Spatenstich. Und an die andere Mausfamilie, die im Schrank wohnte und immer größer wurde.

Ich erinnere mich an das riesige Spinnennetz in das ich lief und an dein offenes Knie, nachdem du vor Lachen die Treppe hinuntergefallen bist.

Ich erinnere mich an mein Unverständnis und meine Wut, als ich nicht mit zu Beerdigung durfte, aber hinterher zum Kaffee trinken kommen musste.

Ich erinnere mich an Kuscheltiere und Springseile und Bergsteigen an der Hauswand.

Ich erinnere mich aus Erzählungen an weiße Waschlappen und Rasenmäher, neben denen ich herlief. Und ich erinnere mich tatsächlich an fluffige, aber dünne, Pfannkuchen, Quarkauflauf und lange Nachmittage mit Brettspielen. Und daran, wie du jedes Spiel gewannst.

Ich erinnere mich an unseren Kuss in der Tür und wie wir uns danach eine Woche nicht in die Augen sehen konnten.

Ich erinnere mich ans Handauflegen, meine Skepsis und wie es trotzdem half.

Ich erinnere mich an Abende in der Küche, das Sammeln von Kronkorken und unseren Wettkampf, wer mehr bekommt.

Ich erinnere mich an die Butter die flog und meine Überraschung darüber.

Ich erinnere mich an diese eine Hand auf meinem Hintern, dank der ich endlich jemanden einen Drink ins Gesicht schütten konnte. Und an das Gezeter hinterher, das irgendwas mit „echter Seide“ und „du zahlst die Reinigung“ beinhaltete.

Ich erinnere mich an einen Tisch voller Hackfleisch und meinen Widerwillen es anzufassen.

Ich erinnere mich an meinen ersten Kuss. In der Turnhalle ganz hinten auf der Bank. Und wie wir aufsprangen und flüchteten, als jemand reinkam.

Ich erinnere mich an das Bügelperlenbild von Micky Maus, dass ich voller Stolz präsentieren wollte und das sich durch eine Handbewegung in der ganzen Küche verbreitete.

Ich erinnere mich an deine handgerührten Pfannkuchen und deinen Gesichtsausdruck, wenn du nicht die volle Aufmerksamkeit bekamst.

Ich erinnere mich an die Flasche Cool Up, unsere Wette und deinen Gesichtsausdruck, als ich gewann.

Ich erinnere mich an den Zwerg, die Elfe und den Magier in meiner Einfahrt und wie stolz du warst, als du Feuer gemacht hattest.

Ich erinnere mich an weiches Fell und eine riesige raue Zunge.

Ich erinnere mich an das erste Mal, als wir tanzten. Unseren ersten Kuss und jeden Moment, der darauf folgte.

Ich erinnere mich an gigantische Getreideberge und meine Angst, darin zu ertrinken. An nächtliche Fahrten mit dem Trecker und wie du zu faul warst die Spritze vorher abzunehmen.

Ich erinnere mich an Porzellanfiguren die aus dem Fenster flogen und auf der ausgerollten Markise landeten. Und an das Lachen der Erwachsenen darunter.

Ich erinnere mich an das Gefühl meinen Kopf auf den Bauch von meinem Hund zu legen und mich dabei möglichst leicht zu machen.

Ich erinnere mich an die Freude, als ich von der Hochzeit hörte und meine Scham über die Freude, das es nicht bei allen klappt.

Ich erinnere mich an Schokoeisbecher vor dem Fernseher. Mit extra Sahne und Dosen-Pfirsichen. Und an Zimt-Milchshakes, die es seit letzten Jahr nicht mehr gibt.

Ich erinnere mich an noch so viel mehr.

An was erinnerst du dich?


Erinnerungen sind flüchtig, aber dabei felsenfest in uns verankert. Wodran erinnerst du dich, wenn du die Gedanken schweifen lässt?

Ursprung: Joe Brainard* wurde aufgegriffen von der Wildgans, die wiederum von Liisa, was Vanesssa inspirierte und so letztendlich mich.

2 Kommentare
  • Liebe Alexandra,
    ich danke dir von Herzen für diesen tiefgründigen Beitrag, der mich sehr berührt und inspiriert hat. Ich hatte das Gefühl Poesie zu begegnen, denn dein Beitrag liest sich wie ein wunderschönes Gedicht!

    Ich danke dir und wünsche dir vom Herzen alles Liebe!
    Tatjana

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