Mein Feminismus – super einfach & schrecklich kompliziert

Ich bin Feministin.

So, jetzt ist es raus. Ich meine, es schwang in vielen Texten schon mit und jeder, der meine Linkempfehlungen bei Twitter & Co. liest, wusste es schon längst, aber so direkt ausgesprochen habe ich es hier noch nie. Aber warum nicht?

Es ist schrecklich kompliziert, mit mir und dem Feminismus. Und gleichzeitig so super einfach. Einfach, da meine persönliche Definition von Feminismus sehr einfach ist. Und kompliziert, da die Umsetzung dieser Idee unrealistisch ist und das Gespräch über dieses Ideal oft zum Kampf wird. Aber ich will nicht kämpfen, wenn es um Feminismus geht. Für mich ist der Feminismus kein Kampf. Kampf ist für mich immer gegeneinander, aber gerade das, will ich ja nicht. Ich will ein Miteinander, ein gemeinsames Arbeiten auf ein Ziel hin.

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Das heißt nicht, dass man nicht diskutieren soll, oder protestieren (Stichwort: Women’s March) oder anklagen oder aufklären, aber bitte ohne Kampf. Ohne gegeneinander. Eigentlich gibt es kein „Wir Feministinnen gegen alle anderen“ und noch viel weniger ein „Feministin gegen Feministin“, nur, weil die persönlichen Ansichten, was feministisch ist und was nicht, verschieden sind. Es gibt verschiedene Ansichten, die nebeneinander existieren und über die man reden muss. Miteinander, nicht gegeneinander.

Jemand, der sich ausdrücklich gegen den Feminismus äußert, ist nicht automatisch „der Feind“. Man muss so jemanden nicht bekämpfen. Man sollte reden und herausfinden, was derjenige den überhaupt unter Feminismus versteht. Und dann kann man diskutieren und aufklären und verständlich machen, dass der Feminismus keine Männer unterdrücken und Frauen nicht verbieten will gerne Mutter zu sein.

Das Problem ist, dass es viele verschiedene Strömungen im Feminismus gibt und nicht alle Gruppen sind sich über das Ziel einig. Feminismus ist kein geschützter Begriff, man muss keinen Test ablegen, damit man sich Feministin oder Feminist nennen kann. Jeder darf es, mit seiner ganz eigenen Definition von Feminismus. Das ist toll, das macht die ganze Debatte aber auch ein bisschen komplizierter, da nicht jeder akzeptiert, dass seine Definition nicht die einzig wahre ist. Dazu kommt, dass die radikaleren Positionen sich natürlich besser in den Medien machen. Wir leben nun mal in einer Medienwelt, und was Aufsehen erregt, verbreitet sich besser und schneller, als ruhig dargebrachte und vernünftige Forderungen. Dies führt dazu, dass viele ein falsches Bild vom Feminismus haben, da sie immer nur einen Ausschnitt präsentiert bekommen, den von der „hässlichen und männerhassenden Emanze“.

Mein Weg zum Feminismus

Auch ich hatte lange Zeit dieses Bild im Kopf. Feminismus war für mich etwas für alte Frauen und für meine Lebenswelt nicht relevant. Ich bin 1990 geboren und wie viele Menschen meiner Generation (so zumindest meine persönliche Erfahrung), wuchs ich mit dem Glauben auf, dass der Feminismus veraltet sei. Warum für Gleichberechtigung kämpfen, wenn wir sie doch schon längst haben? Feminismus, das war Alice Schwarzer, die in irgendwelchen Talkshows keifte und furchtbar unsympatisch war. Eine Frau, die nicht begriff, dass ihre Zeit schon längst abgelaufen war und der Kampf, den sie führte, nicht mehr nötig.

Ja, so dachte ich damals. Ich wusste nichts über Feminismus, nichts über Alice Schwarzer. Nur das, was mir die Medien so zuspielten. Insgesamt nicht sehr positiv und vor allem völlig unnötig. Schließlich waren wir alle gleichberechtigt und Diskriminierung und Sexismus waren Probleme der Generationen vor uns, aber nicht unsere.

Bis ich aufwachte aus diesem schönen Traum dauerte es ein bisschen. Ich brauchte tatsächlich bis Anfang 20, bis ich mich das erste Mal bewusst mit Feminismus, seinen Forderungen und der Idee dahinter beschäftigte. Meine Mutter war schuld. Ich weiß nicht, wie oder warum wir darauf kamen, aber in einem Gespräch sagte sie ganz selbstverständlich, dass der Feminismus gut sei und nötig und war verwundert, dass ich das nicht so sah. Ich versuchte schnell das Thema zu wechseln, denn da merkte ich zum ersten Mal, dass ich gar keine Ahnung hatte, worum es eigentlich ging.

Feminismus Erkenntnis

Ich fing also an mich einzulesen und mir ging ein Licht nach dem anderen auf. Das waren ja alles ganz vernünftige Menschen und die hatten echte Gründe für ihre Forderungen nach mehr Gleichberechtigung und für die Stärkung der Frauen. Kein Gekeife, kein Kampf, einfach nur gut durchdachte und sinnvoll begründete Argumente. Und: Es gab so viele Frauen, die den Feminismus vertraten. Alice Schwarzer war nicht allein, eine Menge anderer Frauen (und ein paar wenige Männer) äußerten sich auch. Immer wieder.

Ich nutzte mein neues Interesse und schrieb fürs Studium Hausarbeiten wie „Gleichberechtigung in Deutschland. Schwerpunkt: Erwerbsarbeit der Frau“ oder „Die Subjektivierung von Arbeit – Segen oder Fluch für Frauen?“ Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema endete 2014 mit meiner Bachelorarbeit: „Die doppelte Vergesellschaftung von Frauen in Deutschland – beeinflusst durch den Prozess der Individualisierung?“ Aber wer weiß, auch im jetzigen Master lassen sich sicherlich feministische Sichtweisen auf die Kommunikationswissenschaften finden, zu denen ich Hausarbeiten schreiben kann. Ein Referat über Sexismus habe ich immerhin schon halten können 😉

Und da bin ich nun, lese über Feminismus, schreibe über Feminismus, rede über Feminismus und habe immer noch nicht gesagt, was Feminismus für mich eigentlich genau ist. Wie ist denn nun meine persönliche Definition von Feminismus?

Gleichberechtigung

Für mich hat Feminismus das Ziel der Gleichberechtigung. Jeder Mensch soll die gleichen Rechte und Pflichten haben. Wünschenswerter weise sogar die gleichen Chancen und Möglichkeiten.

Die eigentliche Wortdefinition greift mittlerweile viel zu kurz. Die Idee des Feminismus ist für mich das Anstreben eines Ideals der Gleichberechtigung aller. Egal, welches biologische oder soziale Geschlecht, welche Hautfarbe oder welcher soziale Hintergrund, jede*r soll das Leben leben, das er*sie leben möchte. Ohne Verurteilung durch andere. Solange er*sie dadurch niemanden Schaden zufügt natürlich.

Frauen sollen sich Achselhaare wachsen lassen dürfen, ohne, dass es ein Thema ist und Jungs sollen mit pinken Barbies spielen dürfen, ohne, dass sie dafür gehänselt werden.

#Feminismus ist die Idealvorstellung der gleichberechtigten Gesellschaft. Klick um zu Tweeten

Um das Queer-Lexikon zu zitieren:

Feminismus ist eine geistige Einstellung, die die gleichen Rechte und Chancen für alle bzw. beide Geschlechter fordert. Gleichzeitig ist Feminismus eine politische Bewegung, die eine gesellschaftliche Veränderung anstrebt um genau jene Rechte und Chancen für alle bzw. beide Geschlechter zu verwirklichen.

Klingt gar nicht nach Männerhass und Abschaffung der Geschlechter, oder? Genau!

Noch so ein Punkt, der Feminismus für mich persönlich kompliziert macht: Ich bin nicht dafür, dass alle gleich sein sollen. Gleichberechtigung ist für mich nicht Gleichheit. Ich bin dafür, wenn eine Frau sagt, dass sie gerne Vollzeit Mutter und Hausfrau ist und sich einen Mann wünscht, der die Familie ernährt und sich ansonsten nicht weiter ins Familienleben einbringt. Ich bin dafür, wenn ein Mann gerne Bier trinkt, Steaks isst und an Autos schraubt. Aber ich bin genau so dafür, dass die Frau Karriere machen möchte und sich einen Mann wünscht, der Vollzeit Vater und Hausmann ist. Und ich bin dafür, dass eine Frau gerne Bier trinkt, Steaks isst und an Autos schraubt. Ein Mann ist nicht weniger ein Mann, wenn er lieber Sekt trinkt und strickt. Und eine Frau definiert sich nicht über ihre Mutterinstinkte. Noch viel komplizierter wird es, wenn man aufhört binär zu denken und alle anderen möglichen Lebensentwürfe, soziale und biologische Geschlechter und sowieso die Vielfalt der Menschen mit einbezieht.

Feminismus Gleichberechtigung Vielfalt

Wichtig ist die freie Entscheidung. Die bewusste Entscheidung für oder gegen einen Lebensentwurf. (Wie ich bei der Recherche zu diesem Beitrag festgestellt habe, kann ich mich mit meiner Ansicht wohl liberale Feministin nennen.) Etwas, das in unser Gesellschaft nur sehr schwer möglich ist, da Vielfalt nur in einem bestimmten Rahmen ohne Gegenwehr zugelassen wird. Wenn man zu sehr von der Norm abweicht, wird das Leben schwieriger und komplizierter, als wenn man sich den gängigen Vorstellungen, wie man zu Leben hat, wie man zu sein hat, anpasst.

Stereotype und Vorurteile sind da noch mal ein ganz anderes und eigenes Thema, das hier endgültig den Rahmen sprengen würde.

Ich hoffe, es ist klar geworden, was Feminismus für mich ist und warum ich der Überzeugung bin, dass jeder davon profitieren wird, wenn wir dem Ideal der gleichberechtigten Gesellschaft näher kommen. Feminismus ist nicht nur für Frauen (gut), er steht auch für mehr Freiheit für Männer. Freiheit, so zu sein, wie sie gerne wären. Ohne gesellschaftlichen Druck, ohne vorgelegten Lebensweg, von dem Mann nicht abweichen soll.

Corinne schrieb 2015 auf makellosmag:

Er [der Feminismus] ist kein „er“ & keine „sie“ sondern mindestens alles dazwischen & alles drum herum. Das macht ihn vielschichtig, das macht ihn oft schwammig & schwer greifbar. Aber die guten Dinge sind selten simpel. Auf jeden Fall hat Feminismus mit echtem Interesse zu tun, mit wirklichem Nachdenken – über sich selbst & die anderen.


Wie stehst du zum Feminismus? Hast du sich schon einmal ernsthaft mit der Thematik beschäftigt? Vielleicht sogar drüber geschrieben? Dann immer her mit den Links.

6 Kommentare
    • Im Nachhinein weiß ich nicht, warum. Es schien mir furchtbar schwierig und ich hab es vor mir hergeschoben, aber als ich dann tatsächlich anfing war es ganz einfach und ich musste mich bremsen, den Text nicht noch länger werden zu lassen.

  • Guter Text.

    Ich denke, wir haben ähnliche Ansichten, mit eventuell unterschiedlichen Zweigen und Ästchen (geben durch verschiedenen Erfahrungen, Bedürfnisse und Wünsche). Ich nennen mich aber nicht Feministin, einfach weil dieses Wort so negativ behaftet ist und vorverurteilt wird.

    Ich sage aber auch, dass wir in Deutschland gesetzlich (!!!) gut gleichberechtigt sind (Sprich ich weiß von keinem Gesetz, dass mir etwas verbietet, weil ich eine Frau bin), in manchen Dingen finde ich ist die Frau übergleichberechtigt (Sorgerecht), aber gesellschaftlich (!!!) ist dies noch nicht so (So habe ich in meiner Arbeitsrechtklausur, bei der Frage „Eine Frau möchte in der Elternzeit kündigen, wie lange ist ihre Kündigungsfrist“ daraus ein „Eine Frau oder ein Mann möchte in der Elternzeit kündigen, wie lange ist die Kündigungsfrist“ gemacht 😀 – oder habe meine Englisch-Lehrerin gefragt, warum ich in eine Bewerbung mein Geschlecht schreiben soll (Sie meinte man solle im Lebenslauf sein Geschlecht angeben) XD)

    Ich freu mich, mehr von dir über das Thema zu lesen 🙂

    • Hallo Christiane,
      gerade, weil das Wort so negativ besetzt ist, sollte man sich so nennen. Um die Bedeutung langsam wieder ins positive zu holen. So zumindest meine Meinung. Aber ich kann/will dich nicht zwingen, denn ein Label aufgedrückt bekommen ist nie schön, wenn man es sich nicht aussucht und nicht will.

      Und stimmt, gesetzlich ist alles super. An der Praxis scheitert es dann. Und ja, auch Männer sind benachteiligt. Das ist ja das schöne am Feminismus, wie ich ihn verstehe: Auch diese Ungleichberechtigung sollte ausgebügelt werden. Das Geschlecht sollte keinen Einfluss auf das Sorgerecht haben, um dein Beispiel aufzugreifen.
      Es ist noch ein langer Weg, aber es wäre schade drum, wenn wir nicht wenigstens versuchen ihn weiter zu gehen.

      LG Lexa

  • Liebe Lexa,
    Ich sehe es auch so, dass es beim Feminismus nicht nur um Frauen, sondern um alle Menschen geht.
    Und bin auch dagegen die Männer als Ursache oder Schlechtes zu sehen. In vielen Diskursen ist mir das zu trennend oder zu gemein gegenüber den Männern. Frauen in einer generellen Opferrolle zu sehen, scheint mir übertrieben, immerhin können auch Frauen Täter sein und auch Frauen geben ihren Söhnen das Denken mit.
    Tatsächlich meine ich persönlich meist die Frauenrechte, wenn ich vom Feminismus rede. Das liegt aber nur daran, dass meiner Meinung hier die größte Baustelle liegt.
    Natürlich gibt es auch Männer, die diskriminiert werden, zb. durch ihre Beziehungen etc. Allerdings gibt es in der Art der Diskriminierung von Frauen und Männer einige gravierenden Unterschied, zb. eine weitaus höhere Gewalt gegen Frauen (gegen einen Mann traut man sich das meist nicht) Und während bei Männern einzelne Gruppen diskriminiert werden, ist es bei Frauen auf ganzer Linie. Mal mehr mal weniger. Und das ist etwas was mich doch verwundert, denn immerhin reden wir nicht von einer Minderheit, sondern einer Mehrheit.

    Ich denke aber auch, dass es bei Frauen das Problem ist, dass sie oft gar nicht merken, dass sie diskriminiert werden, weil es schon so normal ist unserer Gesellschaft. Der ganze Alltagssexismus, fällt einem doch gar nicht auf, weil es schon immer so war und wie sollte es anders sein. Und manche Frauen versuchen auch daraus zu profitieren, oder mobben dann andere Mädchen um sich wieder aufzuwerten. Diese sozialen Dynamiken sind doch relativ komplex.

    Als Mädchen ist mir sowas auch nicht aufgefallen und ich habe die gesellschaftliche Ordnung nicht hinterfragt. Erst als ich Selbst die Erfahrungen gemacht habe, dass Frauen unter bestimmten Umständen in dieser Gesellschaft nichts wert sind, habe ich mich angefangen für das Thema Feminismus zu interessieren.

    Liebe Grüße, Anja

    • Hallo Anja,
      ehrlich gesagt weiß ich gar nicht so genau, was ich auf deinen Kommentar antworten soll, da ich eigentlich nur „Ja, stimmt“ sagen kann.
      Deswegen belasse ich es bei einem: „Danke, für den schönen Kommentar. Ich weiß ihn wirklich zu schätzen.“
      Ich hoffe, das ist okay für dich.
      LG Lexa

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