Nachts sind alle Katzen grau

Eine Kurzgeschichte über graue Katzen. Oder doch eher über Zwangsstörungen?

Letzte Überarbeitung am 22. November 2018

Nächtelang wanderte ich hier nun schon durch die Stadt und zählte meine Schritte. 111 am ersten Tag, 222 am zweiten, 333 am dritten und jeden Tag wurden es mehr. Gestern waren es 4444 Schritte gewesen, die ich gezählt hatte. Mein Schrittzähler behauptete zwar, es waren 4586, aber ich hatte bis 4444 gezählt, und das zählte.

Nein, zwanghaft war das nicht. Egal, was dieser Pillenschubser namens Dr. Schubert behauptete. Einfach nur Spaß. Außerdem, wie sollte ich auch einen Mann mit dem Namen Schubert ernst nehmen? Schuuubert. Schuu-uh-bert. Einfach lächerlich. Dieser Klang. Man sah die Eule doch regelrecht den Kopf drehen, wenn man diesen Namen aussprach. Schuuu-uhu-bert.

Ich hatte einfach nur Spaß am Zählen. Und am Gehen. Gehen tat mir gut. Sehr gut. Mit jedem Schritt fühlte ich mich leichter, befreiter. Außerdem musste ich ja etwas vorweisen. Musste einen Grund finden, weiterhin die Behandlung zu brauchen. Ich war einfach nur faul, wollte nicht arbeiten. Das war die ganze Wahrheit. Ich hatte einen Nervenzusammenbruch, weil ich es so wollte. Weil es die beste Lösung war. Nur so bekam ich bezahlten Urlaub und konnte tun und lassen was ich wollte. Mit der Zwangsbehandlung konnte doch keiner rechnen. „Wenn sie sich nicht behandeln lassen, zahlen wir nicht mehr.“ Bäh. Blöde Kuh von der Krankenkasse. Mein schöner Plan hatte einen Fehler.

Jetzt war ich also verrückt. Zwangshandlungen hatte ich mir ausgesucht. Ich dachte mir, dass konnte man gut vorspielen. Aber nein, der Uhu wollte Beweise. Besorgte mir einen Schrittzähler. Angeblich, damit wir daran arbeiten konnten die Zahl wieder zu verringern. Pah! Wer ihm das wohl glaubte. Den Gefallen würde ich ihm nicht tun. Der bekam seine Schritte. Immer mehr. Ganz einfach. Immer gehen, gehen, gehen… einfach immer weiter schwimmen, schwimmen, schwimmen…

Verdammt! Jetzt hatte ich schon wieder diesen doofen Fisch im Kopf. Den Ohrwurm wurde ich jetzt doch Tage nicht wieder los. Ich bräuchte eine Katze. Eine flinke Katze, die mir den Fisch aus dem Ohr zog. Die könnte mich dann auch gleich begleiten auf meinen Spaziergängen. Eine rote müsste es sein, damit sie zu meinen Schuhen passte.

Oder waren Nachts nicht alle Katzen grau? Gab es hier überhaupt Katzen? Mir war noch keine über den Weg gelaufen. Komisch eigentlich. Ich dachte, Katzen wären Nachts aktiv. Aber wenn hier keine zu finden war, dann kaufte ich mir morgen einfach eine.

Die konnte ich dann auch gleich mit zu Dr. Schuuu-uhu-bert nehmen. Da würde er ganz schön sein Gefieder plustern, der alte Kauz.

Eine Kurzgeschichte über graue Katzen. Oder doch eher über Zwangsstörungen?

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