Ravna Marin Siever: Was wird es denn? Ein Kind!

Ein Ratgeber, der Pflichtlektüre für alle Menschen sein sollte, die mit Kindern Kontakt haben. Eltern, Großeltern und Erzieher*innen können von der Lektüre nur profitieren. Die Kinder dazu sowieso.

Letzte Überarbeitung am 13. April 2022

[Rezensionsexemplar]

Untertitel: Wie geschlechtsoffene Erziehung gelingt

Von: Ravna Marin Siever

erschienen: März 2022

285 Seiten

ISBN: 978-3-407-86652-3

Preis: 20€*

Verlag: Beltz

Buchrücken

Dass Geschlecht eine soziale Konstruktion und nicht binär, sondern vielfältig ist, beschreibt Ravna Marin Siever anschaulich und einfühlsam anhand der Erkenntnisse der Gender Studies sowie zahlreicher Erfahrungsberichte von Eltern und Situationen im Alltag. Es gibt Kinder, die weder männlich noch weiblich sind, egal welchen Normierungsdruck Mütter, Väter oder die Gesellschaft ausüben. Siever erklärt, wie Kinder lernen, wer sie sind, und warum es wichtig ist, dass sie sich selbst einer Geschlechtsidentität zuordnen können. Das Buch bietet Eltern Entlastung, egal ob ihr Kind alle rosa-hellblau-Klischees auslebt, geschlechtsnonkonform, nicht binär oder trans ist.

Meine Meinung

Als ich bei Twitter die Ankündigung für dieses Buch sah, sah ich zuerst nur das Cover. So viele Farben! Den Titel selbst nahm ich erst danach war, wusste dann aber sofort, dass ich es lesen möchte.

Dieser erste Eindruck verstärkte sich dann noch, als ich es in Händen hielt. Der Klappentext allein ist dermaßen wertschätzend formuliert, dass er sofort neugierig auf den Inhalt macht.

Den Inhalt erlebte ich in drei Phasen: Begeisterung, ein Gefühl von ertappt sein, Neugierde

Am Anfang war ganz klar die Begeisterung, denn Ravna Marin Siever vermittelt sehr verständlich, was „geschlechtsoffene Erziehung“ bedeutet.

Mir ist es wichtig Kindern zu zeigen, dass ihr Geschlecht ihnen offen ist. Dass sie selbst äußern können, welches Geschlecht sie haben und wie sie es in die Welt tragen. Es geht nicht darum Kinder zu geschlechtsneutralen Wesen zu machen – sondern darum, sie sie selbst sein zu lassen, möglichst frei von schädlichen Geschlechterstereotypen.

Seite 14

Mir fiel besonders positiv auf, wie einfach und wertungsfrei formuliert wurde. Der Holzhammer bleibt in der Werkstatt, der Zeigefinger erhebt sich nicht. Es sind Tatsachen, die hier erklärt werden, gegen die keine*r sinnvoll argumentieren kann. Im Endeffekt geht es um die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit des Kindes und wie das Kind bestmöglich unterstützt wird.

Es wird aber auch gezeigt, wo und wie Kinder in Schablonen gepresst werden und was schon die kleinsten Abweichungen aus diesem Schema nach sich ziehen können.

Das sind alles Aspekte, die mir nicht neu waren. Aber auch für mich war es eine interessante Beschreibung der Situation wie sie ist und eine Zusammenfassung der Möglichkeiten, die eine geschlechtsoffene Erziehung bieten kann.

Und ich glaube, gerade für Menschen, die sich bisher gar nicht damit beschäftigt haben, die vielleicht neu Eltern sind, angehende Erzieher*innen oder Großeltern werden, kann dieses Buch ein Augenöffner sein. Durch die Art der Formulierungen, den wertschätzen Grundton, schreckt hier nichts ab. Die Bereitschaft sich mit dem Thema zu beschäftigen wird nicht im Keim erstickt durch den Vorwurf alles falsch zu machen, sondern wird gesteigert durch das Aufzeigen der Vorteile und der vielen Ansatzpunkte, wie man auch im Kleinen und einfach Anfangen kann mit einer geschlechtsoffenen Erziehung.

Was ihr Kindern, die von euch betreut und begleitet werden, als normal vorlebt, werden sie als normal wahrnehmen.

Seite 60

Ein theoretisch einfacher Aspekt ist das Nutzen von Neopronomen. Also die Erweiterung des eigenen Sprachgebrauchs über das klassische er oder sie hinaus. Ravna Marin Siever beispielsweise nutzt für sich selbst sier und stellt im Buch weitere geläufige Neopronomen vor und gibt Tipps, wie man selbst üben kann und Kindern die Vielfalt der Pronomen vermittelt.

Das war der Aspekt, bei dem ich mich ertappt fühlte: Eine kleine Stimme in meinem Hinterkopf las die Seiten, stimmte ihnen theoretisch zu, stellte aber gleichzeitig fest, dass das für uns und unseren Alltag dann doch zu weit ginge und weder praktikabel noch nützlich sei.

Wie gesagt: Ertappt! Diese Gedanken sind selbstverständlich Quatsch und zeigen, wie schön man sich die Welt aus Bequemlichkeit manchmal zurechtbiegt.

Nur, weil ich der Meinung bin, dass ich derzeit niemanden kenne, der Neopronomen für sich nutzt, ist das kein Grund es nicht zu üben und sich damit zu beschäftigen. Und dem Kind das Konzept nahe zu bringen, bevor es sich mit der Umstellung so schwer tut, wie ich gerade. Mal abgesehen davon, dass ich noch nie jemanden gefragt habe, welches Pronomen bevorzugt wird und ich daher potentiell jemanden kennen könnte, der auf diese Frage sehr erfreut reagiert.

Im letzten Abschnitt geht es um die Entkräftung von üblichen Gegenargumenten und um trans Kinder. Hier war Neugierde bei mir das vorherrschende Gefühl beim Lesen. Trans sein ist ein Thema, mit dem ich mich bisher nicht näher beschäftigt habe. Daher waren gerade die Erfahrungsberichte in diesem Kapitel sehr interessant für mich.

Meiner Einschätzung nach geling es Ravna Marin Siever auch auf diesen letzten Seiten weiterhin sehr wertschätzend und für den interessierten Laien zu formulieren. Mögliche Vorurteile oder ein undefiniertes Unbehagen beim Thema werden so nicht verstärkt sondern entkräftet.

Ein Ratgeber, der Pflichtlektüre für alle Menschen sein sollte, die mit Kindern Kontakt haben. Eltern, Großeltern und Erzieher*innen können von der Lektüre nur profitieren. Die Kinder dazu sowieso.
Nimm mich mit zu Pinterest

Daher sage ich: „Was wird es denn? Ein Kind!“ von Ravna Marin Siever ist ein Ratgeber, der Pflichtlektüre für alle Menschen sein sollte, die mit Kindern Kontakt haben. Eltern, Großeltern, sonstige enge Bezugspersonen, Lehrer*innen und Erzieher*innen können von der Lektüre nur profitieren. Die Kinder dazu sowieso.

Ich stimme völlig zu, dass gute Rollenvorbilder für Kinder wichtig sind. Allerdings im Sinne vielfältiger Repräsentation. Für Kinder ist es enorm wichtig, sich selbst in anderen wiederfinden zu können! Eben darum setze ich mich für Geschlechtsoffenheit ein. Weil sehr viele Kinder sich selbst überhaupt nicht wiederfinden können.

Seite 207

Rezensionen von anderen:

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner