„Weißt du, ich wünsche mir doch nur jemanden der mich kennt. Der mich wirklich kennt…“, schluchzte sie.“ Ich will doch nicht viel. Nur eine Person, der ich etwas bedeute. Die sich die Mühe macht mich kennen zu lernen. Jemanden, dem es die Arbeit wert ist sich mit mir zu beschäftigen. Jemand, für den ich nicht nur blonde Haare, blaue Augen und lange Beine bin. Warum ist das so schwer?“
Sie stand da und starrte mich an. Starrte und starrte. Bewegte sich nicht. Sah mir nur in die Augen. Ich bemerkte die Träne, die ihr im rechten Augenwinkel hing. Die sich einfach nicht von der langen Wimper lösen wollte. Ich erinnerte mich an all die anderen Tränen, die ich dort schon hatte hängen sehen. Und an all die Momente, die zu diesen feinen Lachfältchen geführt hatten, die jetzt, am Ende des Tages, langsam wieder unter dem sorgsam aufgetragenen Make Up sichtbar wurden. Warum nur, versteckte sie etwas so schönes?
„Vielleicht sind meine Ansprüche doch zu hoch. Vielleicht liegt der Fehler bei mir. Vielleicht kenne ich mich nicht und bilde mir das alles nur ein. Vielleicht bin ich ja wirklich so stark wie sie mir sagen. Bin ich das? Bin ich stark und unerschütterlich? Habe ich die Energie, die es dafür braucht? Bilde ich mir nur ein, das keiner sieht, wie es mit geht? Vielleicht geht es mir gar nicht so? Vielleicht kenne ich mich selbst ja am wenigsten…“
Alle paar Monate die gleichen Fragen. Irgendwann kam die Unsicherheit, die Angst, es nicht allen recht machen zu können. Die Angst zu scheitern und irgendwen zu enttäuschen. Dabei würde sie nie irgendwen enttäuschen. Sie war toll. Sie war willensstark. Sie war hübsch. Sie war erfolgreich. Nur leider sah sie es nicht so. Der Erfolg, der war Glück. Der Misserfolg, der war ihre Schuld.
„Ist das, was ich für eine Fassade halte, was ich glaube, das meine Schutzmauer ist, vielleicht die Realität? Bin ich so, wie die anderen mich sehen? Aber dann müsste ich mich doch auch so fühlen. Ich fühle mich aber nicht so! Sie trauen mir zu viel zu! Ich kann das alles nicht! … Andere schaffen es aber doch auch. Warum dann nicht ich? … Ach quatsch, ich bin ich. Vergleichen bringt mir gar nichts. Sie können es halt und ich nicht. Ist so. Machen muss ich es trotzdem. Denn wenn nicht, was dann? Was sollte ich sonst tun? Nichts? Für wie lange, für immer etwa? Das könnte ich auch nicht. Oder? Könnte ich das? Alles liegen lassen, nichts mehr tun und mich darauf verlassen, dass sich schon irgendwer um mich kümmern wird. Anderen eine Last sein.“
Immer wieder die gleiche Fragen. Immer wieder. Und morgen früh würde sie wieder aufstehen und ihren Tag starten. Würde sich anziehen, sich schminken und zur Arbeit gehen. Morgen Abend würde sie mir erzählen, was heute alles gut war. Wie viel Erfolg sie hatte. Wer sie alles gelobt und bestärkt hatte. Und in drei oder vier Monaten wieder die Zweifel. Die Ängste nicht zu genügen. Seit Jahren das gleiche Spiel. Ihr Gesicht veränderte sich, die Wohnung veränderte sich, die Einrichtung veränderte sich, die Männer neben ihr veränderten sich, aber sie, sie veränderte sich nicht wirklich. Könnte ich nur irgendetwas tun um ihr zu helfen. Aber ich konnte nichts tun. Ich war dazu verdammt mir alles anzuhören ohne je helfen zu können. So ein Leben als Spiegelbild war wirklich nicht einfach.
Mein Beitrag zum siebten Wort von *.txt: Fassade