Ich danke dir.

Ich liege vor dir. Nackt. Du fragst: „Hast du zugenommen? Pass auf dein Gewicht auf!“ Dann bist du aber so nett und legst dich doch zu mir. Danke. Ich brauche deine Körperwärme. Mir ist immer so kalt.

Ich gehe schwimmen. Unter der Dusche seifen sich die Frauen mit Schwung ihre Bäuche ein. Sie gucken mich an. Schütteln den Kopf. Als ich rausgehe höre ich eine murmeln: „Nur noch Haut und Knochen. Das kann doch nicht gesund sein.“ Danke. Solche Komplimente liebe ich.

Ich knie und recke meinen Hintern empor. Wie ein Tier komme ich mir vor. Der Fotograf schreit mich an. Schreit die Beleuchter an. Meine Oberschenkel werfen zu viel Schatten. Das geht so nicht. Ich soll mich drehen, bis das Licht besser fällt. Da, endlich ist er zufrieden. Ich darf das Foto sehen. Meine Thigh Gap ist gut ausgeleuchtet. Danke. Es war Arbeit sie zu bekommen.

Ich habe Angst. Ich bin überfällig. Der Frauenarzt sagt: „Bei Ihrem Gewicht ist es ein Wunder, dass Sie überhaupt noch Ihre Tage hatten. Da wird nichts mehr kommen, wenn Sie nicht zunehmen.“ Danke Körper. Ich wusste, du wirst mich für meine Disziplin belohnen.

Ich treffe mich mit meinen Freundinnen zum Mittagessen. Emily kann heute nicht. Vanessa sagt, Emily hätte 500g zugenommen, deswegen traut sie sich nicht zu kommen. Wahrscheinlich hat sie recht. Ich trinke lieber nur Wasser. Danke Detoxkur, dass ich dich schon 4 Wochen machen darf.

Mein Vater besucht mich. Er guckt traurig. Fragt mich, wie viel ich wiege. Ich erzähle es ihm stolz. Er guckt schockiert. Sagt aber nichts. Ein Kompliment hätte er mir ja schon machen können. Danke, für nichts. Es ist gut, dass er soweit weg wohnt.

Ich stehe vorm Spiegel. Allein. Nackt. Ich bin zufrieden mit mir. Ich habe mein Ziel erreicht. Danke.


 

Mein Beitrag zum neunten Wort von *.txt: nackt

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