„Immer wieder das Gleiche. Die Menschen sind so einfallslos! Und dann diskutieren sie immer ewig, wenn ich ihnen sage, dass das nicht geht!“, regte sich Diana auf. Wütend stampfte sie im Kreis umher. Der alte Perserteppich hatte schon tiefe Furchen, dort, wo Diana seit 489 Jahren ihre Runden drehte.
Ja, sie war nur 489 Jahre alt. Sie war jung. Zu jung. Sie nahm die ganze Sache noch ernst. Glaubte daran, etwas bewirken zu können. Zu helfen. Sie glaubte doch tatsächlich, die Menschen müssten dankbar sein.
Aber süß sah sie aus, wie sie da so im Kreis lief. Ganz zart und durchscheinend. Ihre Augen glänzten vor Empörung und ihre eigentlich tiefschwarzen Haare hatten sich rötlich gefärbt.
„Ich weiß gar nicht, wie wir hier landen konnten. Es ist so schrecklich kalt. Ich will zurück nach Indien! Ich will wieder Wärme spüren. Warum sind wir damals bloß auf diesem blöden Schiff gelandet?“, fragte sie. Aber er wusste, sie erwartete keine Antwort von ihm. Er hatte keine Antwort. Er wusste genau so wenig wie sie, warum sie nicht mehr in Indien waren.
Wenn er ehrlich war, wusste er nicht einmal, warum er hier war. Warum er bei ihr war. Zwei Geister in einer Lampe, mehr als ungewöhnlich. Eine Lampe, ein Geist. So war die Normalität.
Es war eine einsame Normalität.
Sie machte es nach über 2000 Jahren erträglicher gerufen zu werden. Man freute sich über die Abwechslung. Man freute sich, überhaupt Kontakt zu irgendwem zu haben. Und wenn es nur ein Mensch war.
Aber so. Zwei Geister in einer Lampe? Wie sollte sich Diana da je daran gewöhnen raus zu müssen. Sich mit Menschen abgeben zu müssen. Sie konnte die Erleichterung nicht nachempfinden, die er empfunden hatte, wenn er gerufen wurde. Sie hatte ja ihn. Sie hatte Gesellschaft.
„Die Menschen werden auch immer dümmer. Der Mann vorhin konnte nicht mal normal reden. Das hättest du hören müssen! Lauter Ähs und Öhs… Schrecklich! Sei bloß froh, dass du nie raus musst. Es ist grässlich!“, regte sie sich weiter auf.
Warum er wohl nie raus musste? Warum immer nur Diana den Zog verspürte? Wenn er das nur wüsste… Er würde so gerne mal wieder raus. Sehen, wie die Welt aussah. Sie hören und riechen. Mit etwas Glück könnte er lange draußen bleiben. Mit etwas Glück war es ein unentschlossener. Wie sehr er sich wünschte, den Zog zu spüren. Durch den Lampenhals gezogen zu werden und sich zu materialisieren.
Es würde ihm sogar Spaß machen Wünsche zu erfüllen. Er würde mit Freuden erklären und diskutieren, wenn sich drei weitere Wünsche gewünscht werden würden. Alles nicht so schlimm, wenn er hier nur mal wieder raus könnte.
Aber nein, es war immer nur Diana, die raus kam. Und zu schätzen wusste sie es auch nicht. Beschwerte sich und erwartete Mitleid. Sie verstand nicht, wie gut sie es hatte.
Wie abnormal es war, dass sie hier zu zweit waren. Sie kannte es nicht anders. Für sie war es schon immer so.
So unbedarft und unschuldig.
„Diana?“, unterbrach er sie in ihrem Gezeter. „Hab ich dir eigentlich mal erzählt, wie ich meinen Rivalen Oliver umbrachte?“
„Ich dachte, wir können nicht sterben?“, antwortete sie fragend.
„Doch, wenn uns ein anderer Geist umbringt schon. Komm her, ich erzähle es dir.“
…
Da! Da war er! Der Zog! Er würde die Welt wieder sehen! Das war es wert. Besser die ewige Einsamkeit als ewig in der Lampe sein.
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Mein Beitrag für das zweite *.txt-Wort: wünschen
Tolle Idee! Deine Kurzgeschichte gefällt mir echt gut, da könnte man mehr draus machen 🙂 (oder hast du das vielleicht schon?)
Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich das Ende jetzt richtig verstanden habe 😉
Ne, noch mehr gibt es dazu (noch) nicht. Momentan bin ich ganz froh, dass ich überhaupt mal wieder was fiktives schreibe. Muss erst mal wieder reinkommen.
Enden sind bei Kurzgeschichten ja immer so eine Sache. Ich finde sie dann gut, wenn sie einen dazu bringen zu spekulieren, wie es wohl weitergeht.
Das gelingt mir auch nicht immer, aber in diesem Fall ja anscheinend schon. Denn du bist dir ja nicht mal sicher, ob er sie jetzt getötet hat oder nicht. 😉
Ziel erreicht.
Und du darfst dir jetzt aussuchen, was dir besser gefällt: Dianas Tod und damit seine Freiheit, oder einen Zufall, das doch er gerufen wurde.
Oh. Zu zweit in einer Flasche. Horror. ;))
Deine Geschichte finde ich toll. Ist sehr schön geschrieben. Ich mag das Bild, wie sie stampfend über den Teppich schwebt.
Liebe Grüße,
Sarah
Danke 🙂
Sehr schöne Geschichte! Das ist einer der besten Effekte von Dominiks *.txt-Projekt: Dass man neue lebenswerte Blogs findet.
Danke 🙂 Freut mich, das sie dir gefällt.
Hui… schöne Geschichte. Aber warum ist der Geist denn jetzt plötzlich rausgesogen worden? Zufall? oder soll er seine Geschichte nicht erzählen?
Freu mich aug mehr 😀 😀
Vielleicht hat er seine Geschichte ja schon erzählt und ihr auch gezeigt, wie es geht? Das töten von anderen Geistern. Vielleicht ist er ja mittlerweile allein und wird deswegen rausgesogen?
Such dir das Ende aus, das dir gefällt 😉