Verdächtige Solariumsbräune

Jens parkte seinen Lieferwagen vor „Emmas Sonnenstrauß“ und strich sich die Haare glatt. Dann stieg er aus, nahm die Pakete aus dem Wagen und ging langsam auf die Eingangstür zu. Er stockte, als er den Fuß auf die unterste Stufe der Eingangstreppe setzen wollte. Aus dem Laden schlug im Geschrei entgegen.

Eine hohe Frauenstimme und nicht weniger hohe Männerstimme keiften sich an. Verstehen konnte er sie nicht, aber es war eindeutig, das sich dort drinnen zwei stritten. Wenn es sich nicht um Emmas Geschäft gehandelt hätte, wäre Jens wieder umgedreht und hätte die Blumen später ausgeliefert. Da er aber glaubte Emmas Stimme zu erkennen, siegte die Neugier über die Vernunft und er stieg die Stufen zum Laden hinauf.

Als er Eintrat bimmelte die altmodische Glocke über der Tür und er sah, dass es wirklich Emma war, die er schreien gehört hatte. Die hohe Männerstimme gehörte zu einem solariumgebräunten Mann um die vierzig, der wild fuchtelnd im Laden stand und sein Eintreten nicht bemerken zu schien.

Emma hingegen wendete sich ihm zu und fing an zu strahlen. Sie ignorierte den Mann, lächelte sehr übertrieben und streckte die Arme aus, um die Lieferung entgegen zu nehmen. Wie immer unterschrieb sie, lächelte dabei, scherzte, dass er der Retter in der Not sei, schließlich wartete sie schon ewig auf diese Lieferung, dieses Mal waren es Brautsträuße für ein Fotoshooting, und betrieb ein bisschen Smalltalk.

Jens liebte diese Momente mit ihr. Diese Unbeschwertheit und Fröhlichkeit, die sie ausstrahlte. Nur dieses Mal passte der solariumsgebräunte Mann nicht ins Bild. Er stand wie vom Donner gerührt da und starrte Emma an, die ihn demonstrativ ignorierte. Das Gebrülle hatte er aufgegeben, denn Emma antwortete nicht mehr. Er stand nur da und glotzte. Die Augen viel zu hell in dem zu dunklem Gesicht.

Jens fand Solariumsgänger schon immer merkwürdig. Sie waren ihm unheimlich und kamen ihm verdächtig vor, weil sie sich lieber der Technik auslieferten als raus zu gehen.

Emma redete weiter mit ihm und plauderte über alles mögliche. Der Solariummann trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen und verließ endlich mit einem Schnauben den Laden.

Jens sah Emma fragend an und die schüttelte nur den Kopf. Es war eindeutig, dass sie nicht darüber reden wollte.

Also schluckte er seine Neugier hinunter und ging zurück zu seinem Lieferwagen. Er würde sicherlich andere Chancen bekommen zu erfahren, was er da miterlebt hatte. Schließlich belieferte er seit 10 Jahren jeden Tag Emmas Blumengeschäft und hatte auch nicht vor damit aufzuhören.


Mein Beitrag zum #Ideenbild im Oktober. Ich habe mal mit Absicht versucht weder Gedanken nach direkte Rede zu benutzen und es ist mir verdammt schwer gefallen… und ob es mir gefällt, weiß ich auch noch nicht. Aber ich wollte es mal versuchen. Denn nachdem ich bei Sas von Flash Fictions erfahren habe, wollte ich ausnahmsweise mal nicht nur drauf los schreiben, sondern mir ein Ziel setzen. Ein anderes Mal gibt es dann auch genau 750, 100 oder 50 Wörter.

2 Kommentare
  • Also mir gefällt Dein Schreibstil unglaublich gut – und ich möchte jetzt unbedingt wissen, um was es bei dem Streit ging 😉 Vielleicht sind die 750 Wörter ja zufällig eine Fortsetzung hiervon 😉
    Liebe Grüsse
    Ariana

    • Hallo,
      danke 🙂 So ein Lob ist immer schön zu bekommen.
      Ich hatte eigentlich nicht vor die Geschichte weiter zu spinnen, aber nach dem ich deinen Kommentar gelesen habe, formten sich sofort weitere Sätze in meinem Kopf 😀 Ich überlege mal, was sich draus machen lässt 😉
      LG Lexa

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