Ich sage jetzt etwas, das wohl wenige Menschen so offen sagen:
Ich habe Vorurteile und das ist auch gut so
Gut, vielleicht sagen das in deinem Umfeld viele Menschen. Aber die Menschen auf die ich so treffe, die versuchen deutlich nach außen zu tragen wie vorurteilsfrei und offen für Neues sie sind. Meiner Meinung nach lügen sie sich nur selbst in die Tasche.
Jeder von uns hat Vorurteile. Egal ob bewusst oder nicht, sie sind da.
Und sie erleichtern uns unser Leben ungemein. Ohne Vorurteile wären wir alle vollkommen überfordert. Jeden Tag aufs Neue. Viel zu viele Informationen die wir verarbeiteten müssten würden auf uns einprasseln und wir hätten keine Chance sie zu sortieren. Da helfen uns Vorurteile.
Menschen werden von uns erstmal in Schubladen gesteckt: der Mathestreber, die schlauen Asiaten, das dumme Blondchen, der eingebildete Surfer-Typ, die oberflächlichen Modeblogger, die langweiligen Buchblogger, die nerdigen Filmblogger, die gebildeten Politikblogger usw. usw. … Vorurteile gibt es viele. Sehr, sehr viele.
Sie schaffen es, das wir unsere Umwelt in wichtig und unwichtig sortieren können. So kann ich auf den ersten Blick sagen, ob ich mich näher mit einer Person beschäftigen möchte oder nicht. Ich kann auch nach einem gelesen Artikel einschätzen, ob ich mir einen Blog genauer ansehe. Nach zwei oder drei Tweets beschäftige ich mich mit einem Twitter-Account vielleicht genauer, oder ich ignoriere ihn. Und das ist gut so. Es erleichtert mir mein Leben.
Aber
Diese Schubladen lassen sich jederzeit wieder öffnen und neu sortieren.
Dieses dumme Blondchen mit den perfekt manikürten Nägeln und den unzähligen Selfies bei Instagram äußert ihre Meinung zu einem aktuellen Thema und zeigt dabei Intelligenz? Schublade auf und neu sortieren.
Der langweilige Überflieger aus meinem alten Abi-Jahrgang begegnet mir in einem anderen Kontext auf neue weiße und scheint gar nicht mehr so langweilig? Schublade auf und neu sortieren.
Dieser eingebildete Fatzke der durch Retweets immer wieder in meiner Timeline landet teilt Beiträge, die mich auch interessieren? Schublade auf und neu sortieren.
Aber auch
Der Politkblogger den ich gerne lese scheint immer seltener wirklich fundiert informiert zu sein und schmeißt nur noch mit Phrasen um sich? Schublade auf und neu sortieren.
Das nette Mädel von der letzten Party hat nur zwei Thema: Männer und Make Up? Schublade auf und neu sortieren.
Der schüchterne Kerl von gegenüber teilt bei Facebook stündlich Nacktbilder irgendwelcher Weiber? Schublade auf und neu sortieren.
Und das ist der Punkt, in dem Vorurteile nicht mehr schlimm sind, sondern uns nur noch helfen: Wenn wir bereit sind unsere vorschnellen und verallgemeinernden Urteile über Andere zu revidieren und auf die Person zu zu schneiden. Nicht für jede Person, nein, das könnten wir nicht bewältigen. Aber für die Personen, denen wir mehr als einmal begegnen.
Das ist etwas, das ich von mir selbst verlange, wie ich es auch von dir verlange.
Ich stecke gerne in Schubladen. Wenn sie sich öffnen lassen. Klick um zu TweetenIch klammer in diesem Beitrag ganz bewusst Vorurteile die zu Hass-Handlungen führen und Stammtisch-Weisheiten aus. Denn wenn ein Vorurteil dazu führt, dass jemand auf die Straße geht und „Ausländer raus!“ schreit oder Flüchtlingsheime anzündet, dann ist das eine ganz andere Nummer als unser alltägliches Schubladendenken. Das ist ein Thema, das sich nicht in einem Beitrag, auch nicht in zwei oder drei behandeln lässt, aber letztendlich nur ein einzelnes Wort verdient: Verachtung!
Über den einleitenden Teil deines Posts stolpere ich natürlich. was sicherlich ja auch der Zweck sein soll 🙂
ich würde mich als unvoreingenommen bezeichnen. Wobei natürlich auch in meinem Hinterkopf das sitzt, was man so allgemein sagt zum Beispiel zu jungen Frauen und älteren Männern. Nichtsdestotrotz versuche ich in dem Moment, in dem auf ein solches Paar treffe, dieses Bild im Hinterkopf zu deaktivieren und mache mir selbst ein Bild. Manchmal bestätigt sich das Bild im Hinterkopf und manchmal nicht. Relativieren, evaluieren.
Ich versuche das Wort Vorurteil zu umgehen. Vorurteil hat für mich den Beigeschmack, das Urteil haben andere für mich gefällt und ich übernehme das so. Was Du ja widerlegen möchtest.
Ein sehr schöner Artikel.
Du hast den Zweck der Einleitung erfasst 😀 Ich dachte, ich probier es mal so 😀
Wenn solche Klischees existieren finde ich es nicht so schlimm, so lange die Menschen sich bewusst sind, das es ein Klischee/Vorurteil ist. So wie bei dir. Schlimm wird es immer erst dann, wenn eine so vorhandene Meinung als allgemeingültige Wahrheit aufgefasst wird. Und das ist leider noch viel zu oft der Fall…
Einen vorurteilsfreien Menschen kann es gar nicht geben. Da stimme ich dir vollkommen zu! Solange man nicht krampfhaft daran festhält und auch bereit ist zu akzeptieren, dass die vorurteile nicht immer der realität entsprechen und deshalb verworfen werden, gibt es gar kein Problem 🙂
Ganz meine Meinung.
Das sehe ich auch so, dass (fast) jeder Mensch Vorurteile und Schubladendenken hat, eben weil es das Leben einfacher macht. Was ich nur ganz schlimm finde ist, wenn man andere Menschen eben genau spüren oder durch Äußerungen merken lässt, in welche Schublade die Person gegenüber gesteckt hat. Das ist für diese nämlich unter Umständen sogar sehr verletzend; insbesondere weil man nicht immer wieder über irgendwelche Vorurteile reden will. Viele Menschen können nicht damit umgehen, wenn sie dann feststellen, dass die Schublade ja mal so gar nicht passt 😉
Da gebe ich dir recht. Man sollte seine persönliche Schubladeneinteilung auch so behandeln: persönlich. Anderen gegenüber neutral sein, bis man eine echte Meinung über sie hat.
Und du hast auch recht, das viele nicht damit klar kommen, wenn ihre Schubladen nicht passen wollen und man dort immer wieder raushüpft. Dann sind sie einfach überfordert. Es ist traurig, aber als Beobachtender finde ich die Verwirrung ehrlich gesagt meist sehr witzig. Und ich konnte schon viele solche Fällt beobachten, da ich oft in die falschen Schubladen gesteckt werde 😀
Warum können wir nicht einfach Schubladen für Menschen anlegen, statt Menschen in Schubladen zu stecken? Nicht den Menschen in eine Schublade einsortieren, sondern ihm eine Schublade schaffen, in der wir alles sammeln, was wir mit ihm verbinden. Dann gibt es große Schubladen, für Menschen, die wir gut kennen und kleine für entfernte Bekannte. Schubladen, die noch fast ungefüllt sind für neue Freunde und bis obenhin vollgestopfte für Sandkastenkumpanen.
Bei einem Mensch, den wir schon lange kennen, wird etwas Neues für uns nicht gleich die ganze Schublade durcheinander bringen. Bei jemandem, dessen Schublade noch fast leer ist, kann das jedoch durchaus passieren.
Und das Allerbeste an diesen Schubladen ist, das sie flexibel sind. Selbst in der vollsten Schublade findet immer noch ein bisschen Platz und das Umsortieren erfolgt ganz ohne einen neuen Schrank.
Das ist ein schöner Gedanke, aber ich glaube nicht für alle umsetzbar. So viel Gehirnkapazität steht uns gar nicht zur Verfügung.
Ein sehr schöner Text. Deine Einstellung gefällt mir. 🙂
Liebste Grüße,
Lisa von Ash Blonde
Danke 🙂